Dekan Matthias Krack stellt sich vor

Komm! Ins Offene, Freund! – mit diesen Worten lädt Hölderlin seinen Freund Landauer am Beginn eines Gedichtes zu einem gemeinsamen Gang aufs Land ein. Komm! Ins Offene, Freund! – ein Ruf zum Aufbruch, heraus aus dem Neckartal und dem Stuttgarter Talkessel. Eine Aufforderung, die ganz treffend und biographisch stimmig auch zu meiner eigenen Person ist: Folge ich doch jetzt auch dem Ruf hinaus aus der Metropolregion Stuttgart in die oberschwäbische Landschaft hinein. Fast acht Jahre pfarramtlicher Dienst in Leonberg an der Stadtkirche liegen hinter mir. Bewegte und schöne Zeiten, die von ganz ähnlichen Veränderungen wie in Biberach geprägt waren: Pfarrplankürzungen, Strukturanpassungen und Fusionen – die ich auch als Dekansstellvertreter begleiten durfte. Und jetzt aus den württembergischen Stammlanden wieder zurück ins Oberschwäbische. Wieder zurück, weil ich doch bis 2012 bereits neun Jahre Gemeindepfarrer in Mundingen war. Eine Kirchengemeinde am Südrand der Schwäbischen Alb gelegen, die sich von den Höhen des altwürttembergischen „Hauptortes“ Mundingen über zwölf Dörfer hinab ins Donautal und das oberschwäbische Gebiet erstreckt. Eine Landschaft, die mich in ihrer Weitläufigkeit ganz sinnbildlich das „Offene“ vor Augen treten ließ. Die mir mit ihren Menschen und ihrem Gepräge eine Ahnung von der Weite gab, von der der Beter des 31. Psalms wohl spricht, wenn er sagt: Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

In den ersten Begegnungen mit „den Biberachern“ und das – freilich erstmal nur oberflächliche – Wahrnehmen der Kirchengemeinden, des Kirchenbezirks und ihrer Strukturen konnte ich wieder etwas spüren von dieser Offenheit und der Weite des Raums – ganz im Sinne Hölderlins, ganz im Sinne des Psalmbeters. Und so freue ich mich, dass ich, Matthias Krack, 50 Jahre alt, nun im Mai als Ihr neuer Dekan an die Stadtpfarrkirche, die Gesamtkirchengemeinde und den Kirchenbezirk Biberach kommen werde. Freue mich auf die Begegnungen und Gespräche mit Ihnen und auf die Zusammenarbeit mit den haupt- und ehramtlichen Mitarbeiter/-innen.

Doch jetzt einmal der Reihe nach: Aufgewachsen und groß geworden bin ich in der ehemals freien Reichsstadt Esslingen, mit der ich immer noch verbunden bin. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, weil ich bereits in jungen Jahren zu den Pfadfindern des VCP im CVJM Esslingen kam, dort entscheidend geprägt wurde und bald auch selbst Jugend- und Junge Erwachsenenarbeit machte. Das alles begleitete mich auch in der Zeit nach dem Abitur, die mich zuerst für ein Jahr nach Stuttgart ins Diakonissenkrankenhaus als „Krankenpfleger“ auf die onkologische Station führte. Dem schloss sich dann das Studium der Theologie an in Tübingen, Heidelberg und Jerusalem – wo ich mich 14 Monate an der Hebräischen Universität dem Studium der Judaistik widmete. In Tübingen legte ich 1997 mein erstes Examen ab und wurde alsbald aufgefordert, an der Universität als Assistent von Prof. Eberhard Jüngel im Institut für Hermeneutik in Forschung und Lehre tätig zu werden. Fünf Jahre meines Lebens waren schließlich geprägt mit Lehrstuhltätigkeiten, mit dem Unterrichten von Studierenden sowie mit meinen eigenen Forschungsarbeiten in den Grenzgebieten von Judentum, Christentum und Islam. Und dann kam das Vikariat in der Kirchengemeinde Donnstetten-Westerheim im Kirchenbezirk Bad Urach, dem sich der Pfarrdienst in Mundingen anschloss – aber von da an kennen Sie die Geschichte ja schon …

Begleitet hat mich auf allen diesen hier nur holzschnittartig dargestellten Lebensstationen jene grenzenlose Zusage aus dem 31. Psalm: Du stellst meine Füße auf weiten Raum …

Wohl weil es kein Appell ist, kein Aufruf zum Aufbruch: Komm! Jetzt! Ins Offene – Nein! Du hast meine Füße auf weiten Raum gestellt, heißt es da vielmehr bei genauer Übersetzung. Es scheint so, als könnte sich der Beter den von Gott für uns geschaffenen Raum gar nicht anders vorstellen als weit und offen. Das Angebot der Weite gehört für ihn uneingeschränkt zum Lebensgrund, auf den ich gestellt bin. Nicht einfach nur Boden unter den Füßen. Nicht nur ein Plätzchen, wo ich sein kann. Nein: Weiter Raum, auf dem ich Fuß fassen und in dem ich mich bewegen kann. Dahinein bin ich gestellt.

Der Lebensraum, der sich mir so von Gott her öffnet, engt also nicht ein und macht mich nicht klein, vielmehr lässt er mich die Größe und Weite des Lebens erfahren. Mein Leben braucht solche Weite. Dass muss auch in der Kirche spürbar sein. Ein Rückzug der Kirche aus der Öffentlichkeit in immer stärker profilierte Kreise und Gruppen ist meines Erachtens darum wenig verträglich. Der weite Raum, der uns geschenkt ist, ruft uns als Kirche vielmehr hinaus in die Gegenwart Gottes. Das Gegenübersein zu Gott will im offenen Raum des Lebens erfahren werden. Darum: Komm! Ins Offene, Freund!, weil Gott schon längst den weiten Raum eröffnet hat. Die Weite dieses Raumes mit Ihnen zusammen in den nächsten Jahren in Biberach durchschreiten zu dürfen, darauf freue ich mich.

Es grüßt Sie herzlich Ihr

Dekan Matthias Krack

Dekan Matthias Krack hat zum 1.5 2020 seinen Dienst in Biberach angetreten. Wir begrüßen Ihn aufs Herzlichste und wünschen Gottes treuen Segen und sein Geleit für seinen herausfordernden Dienst und persönlich  viele offene, neue Begegnungen und ein gutes Einleben in Biberach.